Mountainbiken vor der Haustuere

"Ich habe keine Zeit." "Das Wetter ist mir zu schlecht." "Ich muss die Kinder hüten." "Ich bin verschnupft." Es gibt leider viele Ausreden, um sich vor dem schönsten Sport zu drücken...

Biken bedeutet aber nicht nur, stundenlang in Wäldern und auf Bergen herumzukurven. Du musst auch nicht immer deine Kondition trainieren, eine gute Fahrtechnik ist fast noch wichtiger. Und diese kannst du mit wenig Aufwand und in kurzer Zeit verbessern.

Hier kommt die ultimative Anleitung für das Biken direkt vor der Haustüre (oder in einer Tiefgarage). Alles was du dazu brauchst sind Mountainbike, Helm, Schuhe, ein paar Trinkflaschen und 20-30 Minuten Zeit.

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Hier fängt das Biken an. Dropen vor der Haustüre!

Gleichgewicht schulen

Das Gleichgewicht ist die wichtigste Grundkomponente für gutes und sicheres Biken. Und gewisse Techniken lassen sich nur mit einer soliden Balance umsetzen. Hier solltest du also immer dran bleiben.

Trackstand

Der Klassiker ist das Stehenbleiben an Ort und Stelle. Stehend anfahren, Bremsen ziehen, Lenker nach rechts oder links einschlagen für mehr Stabilität und Blick nach vorne richten. Es braucht am Anfang eine gewisse Zeit, bis du den Punkt findest, wo du stabil stehst. Nicht verzweifeln, wenn es nicht gleich klappt, balancieren ist reine Übungssache.

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Der Trackstand ist die Basisübung, um das Gleichgewicht zu verbessern.

Flasche aufheben

Stelle eine Flasche oder einen anderen Gegenstand auf den Boden und versuche beim Vorbeifahren mit der Hand danach zu greifen. Mit tiefem Sattel geht es einfacher, mit hohem Sattel ist die Herausforderung grösser. Trainiere beiden Seiten, damit du mit links und rechts den Gegenstand auflesen kannst.

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Streck dich! Gegenstände aufheben hilft Gleichgewicht und Beweglichkeit.

Spurgasse fahren

Suche eine längere Markierung oder ein Gitter am Boden, wo du entlang fahren kannst. Der Blick gehört nach vorne gerichtet und nicht auf das Vorderrad. Je geringer die Geschwindigkeit, desto schwieriger wird es, die Balance und Spur zu halten.

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Fahre möglichst langsam auf einer Linie und versuche die Spur zu halten.

Richtig Bremsen

Wer schon einmal in einem Fit for Trails Bikekurs war oder diesen Blog liest, der weiss: Gute Mountainbiker bremsen nur mit dem Zeigefinger! Es braucht niemals zwei oder sogar drei Finger am Bremshebel.

Bremsen ohne Blockierung

Beim Bremsen ist vor allem die richtige Dosierung entscheidend und das Zusammenspiel von Vorder- und Hinterbremse. Mit blockiertem Hinterrad durch die Kurve zu driften ist lustig, aber nicht ganz Sinn der Sache. Stelle zwei Flaschen für eine Bremsstrecke von ca. 2 Metern auf. Fahre mit hoher Geschwindigkeit an und versuche nun zwischen den Flaschen auf Null runterzubremsen, ohne dass die Räder blockieren. Die Gewichtsverteilung ist zentral, für mehr Bremskraft kann auch das Gesäss nach hinten verschoben werden.

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Vollbremsung auf kurzer Distanz, ohne dass die Räder blockieren.

Stoppie

Beim Stoppie bremst du so kontrolliert, dass sich das Hinterrad vom Boden hebt und du kurz auf dem Vorderrad stehen bleibst. Dieses Manöver braucht Mut und Selbstvertrauen, ist aber gleichzeitig eine gute Übung für das Gefühl der Bremsdosierung. Fange mit einer tiefen Geschwindigkeit an und zieh vorsichtig an der Vorderbremse. Mit einer kleinen Bewegung aus den Füssen und Beinen kannst du dem Hinterrad einen Kick verleihen, damit es besser steigt. Der Körperschwerpunkt bleibt zentral, hänge nicht zu weit über den Lenker. Versuche stetig die Geschwindigkeit und Bremskraft zu steigern. Wenn das Überschlagsgefühl kommt, löse sofort die Vorderbremse und das Hinterrad sollte wieder zu Boden fallen.

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Hoch das Hinterrad! Der Stoppie hilft für mehr Gefühl an der Bremse.

Kurven fahren

Keine Kurve gleicht der anderen. Je nach Boden, Steilheit, Radius und Geschwindigkeit braucht es deshalb verschiedene Techniken, um die Kurve richtig zu kriegen.

Slalom fahren

Stelle 4-5 Flaschen auf den Boden in einem Abstand von ca. 1-2 Metern. Versuche nun um die Flaschen zu fahren, ohne diese zu berühren. Diese Übung machst du ausnahmsweise im Sattel sitzend, da du ein wenig mittreten musst. Wähle einen leichten Gang bzw. eine hohe Trittfrequenz, das sorgt für weniger Weg und gibt mehr Stabilität. Der Blick geht auch hier nach vorne, schaue nicht den Gegenstand direkt vor deinem Vorderrad an. Mache eine möglichst starke Lenkbewegung, fahre die Kurve rund und investiere Platz. Immer dran denken, das Hinterrad macht den kürzeren Weg als das Vorderrad. Die Beinführung ist parallel zum Oberrohr, stelle nicht das Knie zu fest nach aussen (wir sind keine Motorradrennfahrer...). Benutze die Bremsen, um die Geschwindigkeit zu kontrollieren.

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Slalom fahren schult Balance, Blicktechnik und Koordination.

8er fahren

Stelle zwei Flaschen auf den Boden und fahre in einer 8 im Kreis rum. So kannst du beide Kurvenseiten trainieren. Gleiche Technik wie beim Slalom fahren, aber hier kommt noch ein Schulterblick dazu, wenn du in die Kurve reinfährst. Wenn du den Kopf drehst und die nächste Kurve anpeilst, dann folgen dein Körper und Bike automatisch mit.

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Mit dem Blick in die Kurve drehen sich Körper und Bike automatisch mit.

Drucktechnik anwenden

Die sogenannte Drucktechnik wird immer dann angewendet, wenn die Kurve wenig Traktion bietet. Schotterkurven, offene Kurven und generell rutschiger Untergrund. Fahre die Kurve von aussen an, ziehe in die Kurvenmitte und lass dich wieder nach aussen treiben. Der Körperschwerpunkt ist zentral und der Blick geht mir der Kurve mit. Die Pedalstellung ist hier hoch/tief, das heisst, der kurvenäussere Fuss ist unten und der kurveninnere Fuss ist oben. Drücke das Bike nach unten und von dir weg und bewege deine Hüfte nach aussen. Dein Gewicht liegt nun auf dem kurvenäusseren Bein bzw. auf den Reifen. Je mehr Druck du ausübst, desto mehr Traktion kannst du aufbauen.

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Hüfte raus und Bike von dir weg drücken. So erhöhst du die Traktion.

Hinterrad versetzen

Das Hinterrad versetzen wird für das Befahren von Spitzkehren benötigt und gehört zur Königsdisziplin beim Biken. Es ist eine schwierige Technik, die viel Übung braucht, um sie sicher im anspruchsvollen Gelände anwenden zu können. Die Kurve eher eng anfahren (ausnahmsweise nicht weit ausholen, da das Hinterrad auch noch Platz benötigt). Vorderrad zum Blockieren bringen und Hinterrad ab Boden heben. Mit der Oberschenkelinnenseite an den Sattel und zusammen mit der Hüfte das Bike nach aussen schwingen. Mit den Schultern und dem Blick den Kurvenausgang fixieren, um die Bewegung noch zusätzlich zu verstärken. Die Körperspannung muss während der ganzen Bewegung hoch sein und der Körperschwerpunkt ist zentral. Merke dir folgende Reihenfolge: Einlenken-Bremsen-Hüfte.

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Hinterrad versetzen. Die hohe Schule des Kurvenfahrens.

Hindernisse überwinden

Hindernisse gezielt zu überwinden sorgt für einen sicheren und flowigen Fahrstil. Versuche immer dein Vorderrad oder auch beide Räder anzuheben, wenn Wurzeln, Steine oder Absätze im Weg stehen.

Vorderrad anheben

Das Vorderrad anheben muss jeder Mountainbiker beherrschen. Damit kannst du Stürze über den Lenker oder platte Reifen vermeiden. Der Bewegungsablauf ist ziemlich simpel, nur die jeweilige Höhe muss bewusst trainiert werden. Das Hindernis mit Schwung anfahren, Arme und Beine leicht anwinkeln, um Spannung aufzubauen. Am Lenker ziehen, den Körper aufrichten und Gesäss nach hinten verlagern. Zur Sicherheit ein Finger an die Hinterbremse, so kannst du das Manöver abbrechen, falls du zu weit nach hinten kippst.

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Das Vorderrad anheben gehört zu den Basics. Je höher, desto besser!

Hinterrad anheben

Beim Hinterrad anheben ist die Fuss- und Beinstellung entscheidend, vor allem für Flat Pedal Fahrer. Zentral im Bike stehen, in die Knie gehen und Spannung aufbauen. Die Füsse zeigen zuerst mit der Ferse nach unten, damit sich die Sohle mit dem Pedal verkeilen kann. Dann den Körper aufrichten und die Füsse mit den Zehenspitzen nach unten richten. Wichtig ist, dass du die ganze Zeit den Kontakt zu den Pedalen nicht verlierst. Nicht die Vorderbremse ziehen und weit über den Lenker liegen sonst haut es dich über den Lenker.

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Beine und Füsse brauchen, um das Hinterrad ab Boden zu heben.

Bunny Hop springen

Mit dem Bunny Hop kannst du Hindernisse locker überspringen und es ist der Schlüssel, um erfolgreich Jumps zu meistern. Das Erlernen des Bunny Hops braucht Geduld, aber dieser Aufwand lohnt sich auf jeden Fall. Wichtig ist hier, dass du den Bunny Hop am besten mit Flat Pedals (keine Klickpedalen) übst, nur so lernst du den sauberen Bewegungsablauf. Ein wichtiges Detail ist die richtige Pedalstellung und Fussposition. Um das Bike führen zu können und das Hinterrad in die Höhe zu bringen, muss aus den Fussgelenken gearbeitet werden. In leicht gebückter Haltung anfahren, um Druck aufzubauen. Dann das Vorderrad explosiv nach oben ziehen und den Körper nach oben strecken. Einen Moment nur auf dem Hinterrad gleiten und dann das Hinterrad mitziehen. Wichtig ist, dass die Priorität auf dem Vorderrad liegt und dieses immer höher als das Hinterrad ist. Über das Vorderrad steuerst du auch die Höhe des Bunny Hops. Die Landung erfolgt mit beiden Rädern gleichzeitig oder mit dem Vorderrad zuerst.

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Vorderrad zuerst nach oben! Die wichtigste Regel für den sauberen Bunny Hop.

Manual fahren

Der Manual ist ein Manöver, bei dem man mit dem Vorderrad in der Luft durch die Gegend surft. Es ist in erster Linie ein Showelement, aber es ist ein cooles Gefühl, wenn du einfach mit Balance und Gewichtsverlagerung am gleiten bist. Der Manual funktioniert am besten, wenn du ihn auf einer leicht abfallenden Strasse übst. Mit mehr Geschwindigkeit wird es stabiler, aber auch gefährlicher. Darum ganz wichtig, immer den Finger an der Hinterbremse haben, um den Vorgang abzubrechen, falls du nach hinten fällst. Der Bewegungsablauf ist gleich wie beim normalen Vorderrad anheben. Nur mit dem Gesäss wanderst du viel weiter weit nach hinten, der Schwerpunkt liegt hinter der Hinterradnabe. Die Beine sind abwechslungsweise angewinkelt oder gestreckt, damit kontrollierst du die Balance. Die Arme sind fast ganz durchgestreckt.

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Beim Manual das Gesäss weit nach hinten schieben und die Balance halten.

Wheelie fahren

Das Wheelie gehört ebenfalls in die Kategorie Showelement. Es kann auf dem Trail aber durchaus mal nützlich sein, wenn du das Vorderrad schnell mit einem Kick nach oben ziehen kannst. Auch hier, unbedingt den Finger an die Hinterbremse und Bremsbereitschaft erstellen. Ich habe leider schon viele Biker unkontrolliert nach hinten absteigen sehen und Schläge auf den Hinterkopf tun immer weh... Beim Wheelie bleibst du auf dem Sattel sitzen, dieser sollte etwa auf halber Höhe sein. Wähle einen mittelschweren Gang, für die Kickbewegung brauchst du einen Widerstand auf dem Pedal. Pedal auf 2-Uhr Stellung bringen, Kickbewegung mit dem Fuss nach unten und gleichzeitig am Lenker ziehen. Nun sollte das Vorderrad steigen und du solltest möglich weit nach hinten sitzen und dich im sogenannten Sweet Spot bewegen. Das ist der Punkt zwischen nach vorne oder nach hinten zu kippen. Kontrollieren kannst du diesen mit der Bremse, mit der Tretbewegung und mit der Körperposition. Die Arme sind die ganze Zeit durchgestreckt und der Blick geht weit nach vorne.

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Finger an die Hinterbremse, Vorderrad nach oben und den Sweet Spot finden.

Treppen/Stufen fahren

Wenn du noch eine Treppe oder Stufe vor der Haustüre hast, dann umso besser. So kannst du auch dieses Element einbauen. Beim Treppen runterfahren gehört das Körpergewicht nach hinten, um Überschläge zu verhindern. Die Arme sind durchgestreckt und der Blick zeigt nach vorne. Die Bremsen dosiert einsetzen, vor allem die Vorderradbremse sehr vorsichtig bedienen. Bleib in dieser Haltung, bis auch das Hinterrad die letzte Stufe überwunden hat und richte dich dann wieder in die zentrale Körperposition. Starte mit einer kleinen Treppe und wage dich an immer grössere Exemplare. Fahre nicht zu zögerlich runter, das Bike braucht eine gewisse Grundgeschwindigkeit, damit du nicht bei jede Stufe hängen bleibst. Zu schnell ist allerdings auch nicht gut, auf einer Treppe kontrolliert zu bremsen ist nahezu unmöglich.

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Beim Treppen fahren wandert das Gewicht nach hinten.

Falls du Stufen oder Treppen in die Gegenrichtung fahren möchtest, dann gelten wieder die Regeln von Vorder- und Hinterrad anheben. Ziehe vor allem das Vorderrad genügend nach oben, damit du nicht einschlägst. Und mit dem Hinterrad musst du im richtigen Moment den Lastwechsel durchführen, damit auch dieses in die Luft geht.

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Stufen überwinden in Gegenrichtung. Vorderrad und Hinterrad hoch genug anheben.